Wozu sind die Füße da?
Zum gehen. Leider wird das immer seltener gemacht.
Sibylle Hamann
Das, was der Mensch ganz unten dran hat, sind Füße. Zwei Stück davon. Die wären, im Idealfall, auf den Boden aufzusetzen und abwechselnd zu betätigen. Das Ergebnis nennt man gehen. Und es hat sich, seit sich der Mensch aufgerichtet hat und die Hände für wichtigere Tätigkeiten braucht, als Fortbewegungsmethode gut bewährt.
Doch vergangene Woche wurde, hier in der „Presse“, eine Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zitiert, die zu einem denkwürdigen Ergebnis kommt: In Wien gehen die Menschen immer weniger zu Fuß. Sie fahren zwar (ein bisschen) weniger mit dem Auto. Sie fahren dafür (ein bisschen) mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Fahrrad. Aber so richtig signifikant ist der Unterschied gegenüber 1995 bloß in einem einzigen Punkt: Nur noch 27 Prozent der Alltagswege werden zu Fuß zurückgelegt. Das sind minus sechs Prozent. Und das ist verheerend, in vielerlei Hinsicht.
Denn, erstens: Gehen tut dem Menschen gut. Der Körperhaltung, dem Herzen, den Venen, dem Immunsystem, der Muskulatur. Es beugt Hämorrhoiden vor und Verstopfung. Die Luft auf der Straße ist immer noch besser als die Luft im Auto. Gesünder als in der Straßenbahn ist sie sowieso.
Zweitens: Gehen tut der Stadt gut. Eine Stadt, in der ausschließlich Auto gefahren wird, schaut irgendwann wie Los Angeles aus. (Dort macht sich, wer zu Fuß geht, bereits verdächtig.) Urbanität bedeutet Dichte und Nähe. Eine Stadt ohne Dichte und Nähe ist keine Stadt mehr, sondern eine Agglomeration.
Drittens: Gehen tut der Wirtschaft gut, ganz sicher zumindest dem Kleinhandel ums Eck. Die Vielfalt kleiner Geschäfte ermöglicht Vielfalt beim Konsumieren und bringt Abwechslung in den Alltag. Doch nur, wer einkaufen „geht“ statt einkaufen zu „fahren“, bekommt die Chance, dass diese Vielfalt erhalten bleibt. Nebeneffekt: Wer geht, kann jeweils nur so viel kaufen, wie er tragen kann, und muss später weniger wegschmeißen.
Viertens: Gehen macht frei. Man kann hinaufschauen oder hinunter. Man kann verlangsamen, beschleunigen, ausweichen oder sich abrupt umdrehen. Wer Herr seiner eigenen Schritte ist, fühlt sich von anderen Verkehrsteilnehmern seltener genervt. Wers nicht glaubt, probiere es aus.
Fünftens: Gehen bildet. Der Ausschnitt der Stadt, den man zu Fuß erkennt, ist schöner, anregender und vielseitiger als jener aus der Volant-Perspektive. Man sieht was, hört was, erfährt vielleicht was Neues. Man spürt, ob der Wind weht, und ahnt, wie das Wetter wird.
Sechstens: Gehen tut Kindern gut. Kinder jeden Morgen festzuzurren, sie durch die halbe Stadt zu kutschieren, vor der Schule aus dem Sitz zu kippen und nachmittags wieder aufzulesen, ist anstrengend, absurd und demütigend. Kinder brauchen eine Schule in Fußdistanz. Der Schulweg ist ein kleines Stück unbeobachtete Freiheit. Freunde und Freundinnen, die in der Nähe leben, bedeuten Autonomie. Wer will schon ständig vom hauseigenen Schofför abhängig sein?
Schließlich: Gehen ist nett zu anderen. Füße fressen kein Benzin und fordern keinen Parkplatz. Sie verletzen niemanden. Und die Luft verpesten sie nur ganz selten.
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