Gemeinsame Obsorge? Aber ja. Aber ernsthaft. Und richtig. Von Anfang an.
Wir brauchen Halbe-Halbe in allen Bereichen der Gesellschaft. Die Frauen- und die Justizministerin könnten die Obsorgereform für eine mutige, weitblickende Offensive nützen.
Sibylle Hamann
Vor einigen Wochen habe ich hier geschrieben: Wer nachts für das Kind aufsteht, soll auch anschaffen dürfen. Darauf gab es sehr viele Reaktionen. Viele, die zustimmten, und viele, die widersprachen, gingen davon aus, ich hätte damit quasi automatisch die Frauen gemeint.
Hm, nein. Hatte ich nicht. Es mag traditionell denkende Menschen irritieren, aber ich bin tatsächlich fest überzeugt, dass es nichts, aber auch gar nichts gibt, das Frauen prinzipiell, „von Natur aus“, zu besseren Eltern macht als Männer.
Konsequenterweise brauchen wir ein Familienrecht, das Frauen und Männer völlig gleich behandelt. Dass ein unverheirateter Vater die Obsorge für sein Kind gar nicht erst beantragen kann, wenn die Mutter das – egal aus welchen Gründen – nicht will, ist unfair und gehört geändert.
Gleichzeitig allerdings müssen wir den Begriff „gemeinsame Obsorge“ neu definieren. Und zwar in die Richtung, dass sich zwei Menschen verpflichten, ihren Kindern dauerhaft als gleichwertige Bezugspersonen zur Verfügung zu stehen. Sie müssen annähernd gleich viel Zeit und Energie in die Erziehung einbringen. Sie müssen bereit sein, Karenzzeiten, Einkommenseinbußen, Teilzeitphasen, Pflegeurlaub gleichberechtigt aufzuteilen, und den Haushalt gleich dazu. Salopp formuliert: Wenn beide anschaffen wollen, müssen beide abwechselnd aufstehen.
Für diese Art gemeinsame Obsorge muss man nicht (mehr) verheiratet sein. Es ist zwar von Vorteil, wenn Mutter und Vater einander mögen, aber zwingend notwendig ist eine intakte Liebesbeziehung nicht. Sie könnten ebenso in einer Art Wohngemeinschaft wohnen. Wenn die Umstände stimmen und Kinder größer sind, sollten auch verschiedene Formen der Doppelresidenz möglich sein.
Fest steht bloß, dass eine Scheidung der schlechtestmögliche Zeitpunkt ist, um damit anzufangen. Wer gleichberechtigte Sorge von Anfang an geübt hat, tut es sich im Trennungsfall wesentlich leichter. Es gibt weniger ökonomische Abhängigkeit. Weniger Unterhalt. Weniger Grund für Machtkämpfe. Und, das wichtigste: Ein Kind, das eine gleich starke Beziehung zu beiden Elternteilen hat, wird von sich aus einfordern, dass ihm beide erhalten bleiben.
Was hält die Justiz- und die Frauenministerin eigentlich davon ab, die Obsorgereform in eine großangelegte Offensive einzubetten, die Halbe-Halbe endlich zum Leitprinzip im gesellschaftlichen Alltag macht? Diese Offensive müsste Betriebe dazu bringen, Vaterschaft und Beruf besser vereinbar zu machen – mit Argumenten, Anreizen, Druck. Der öffentliche Dienst könnte sofort mit gutem Beispiel vorangehen. Das Steuerrecht muss qualifizierte Teilzeit belohnen und Überstunden bestrafen. Und selbstverständlich gehört das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern schleunigst beseitigt, damit sich Gleichberechtigung im Einzelfall finanziell ausgeht.
Wenn sich gleichberechtigte Elternschaft als Norm durchsetzt (Claudia Bandion-Ortner würde „natürlicher Zustand“ sagen), wäre allen gedient: Den Vätern, die Verantwortung übernehmen, und den Müttern, die Versorgungspflichten abgeben wollen. Den Kindern, denen zwei gleichwertige Bezugspersonen guttun. Und dem Staat, der seltener finanziell einspringen muss, wenn Eltern weniger voneinander abhängig sind.
Die Ministerinnen hätten da viel zu tun. Sie bräuchten Mut, Konfliktfähigkeit, Visionen und einen langen Atem. Aber vielleicht haben sie den ja?
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