Ein paar Dinge könnten die Eliten vom gemeinen Fernsehvolk lernen
Freude am Echten, ein Faible für Außenseiter, keine Angst vor der Kronenzeitung: Was „Die große Chance“ über Österreich verraten hat. Ein Nachtrag.
Sibylle Hamann
Wenn Massenprogramme im Fernsehen laufen, rümpfen Menschen, die sich für die gesellschaftliche Elite halten, gern die Nase. Volksverblödung sei das alles, dummes Zeug für dumme Leute, und nein, niemals würde man sich so etwas freiwillig anschauen. Erstens haben man ja gar keinen Fernseher. Zweitens habe man zwar schon einen Fernseher, schalte den aber beinahe nie ein, sondern lese viel lieber ein gutes Buch. Wenn man eventuell ab und zu fernschaue, dann ausschließlich arte und 3sat; und auch dort nur Nachrichten und Opernübertragungen. Überhaupt Opernübertragungen! Werden viel zu selten gezeigt!
Man kann also annehmen, dass die gesellschaftliche Elite von Massenprogrammen nicht viel mitbekommt. Dass Sendungen wie „die große Chance“ bloß ein Rauschen am Rand ihres Gesichtsfelds bilden, nicht relevant, nicht der Rede wert. Das ist schade, aus mehreren Gründen.
Wir durften uns in der Show nämlich ein Bild von dem machen, was in den Hobbyräumen und Bastelkellern dieses Landes passiert; und das unterscheidet sich wesentlich von den Verbrechen sadistischer Ingenieure, die es üblicherweise in die Schlagzeilen schaffen, wenn in Österreich von „Hobbyräumen“ und „Bastelkellern“ die Rede ist. Speziell die Unter-20-Jährigen, die wir da zu sehen bekamen, sind völlig anders als der Ruf, der ihnen vorauseilt. Bisher schaffen es die meinungsbildenden 40- bis 60Jährigen ja erfolgreich, alle Jüngeren als mutlose, vereinsamte, gelangweilte, verfettete, computerspielfixierte, luxusverwöhnte Konsumidioten darzustellen, denen Turnen, Singen oder sonstige kreative gemeinschaftliche Aktivitäten herzlich egal seien.
Zumindest jene, die es hier auf die Bühne schafften, schauten ganz und gar nicht so aus. Um ihre soziale Kompetenz scheint es bei ihnen gut bestellt zu sein; ebenso, was den respektvollen Umgang der Geschlechter betrifft.
Und das Publikum, das die Auftritte zu bewerten hatte? Auch das legte Respekt an den Tag, Gelassenheit, gewürzt mit einem kleinen Faible für die Abweichung von der Norm. Dass ein transsexueller Glamour-Vamp die Herzen eroberte, mag weniger überraschen als der Erfolg jener Frau, die am Ende den Sieg davontrug. Wer hätte gedacht, dass sich die Fünzehnjährigen dieses Landes mit einer 35jährigen Lesbe mit Streichholzfrisur identifizieren würden; mit einer Frau, die weder niedlich ist, noch überdreht, sondern bloß sehr echt, sehr nah am (gar nicht so lustigen) Leben, und sehr ernsthaft in dem, was sie tut?
Ein Lehrstück war die Show schließlich auch, was die Macht der meinungsbildenden Instanzen in diesem Land betrifft. Ganz Österreich, wird gern behauptet, fürchte sich vor der Kronenzeitung; ohne Kronenzeitung gebe es im Mainstream keine Mehrheit. Jetzt wissen wir: Das ist eine große, eitle, arrogante Lüge. Seltsame, von der eigenen Macht berauschte Figuren wie Michael Jeannee spielen für die große Masse der normalen, unpolitischen jüngeren Menschen dieses Landes keine Rolle mehr, und deren Verhaberung mit irgendwelchen Promi-Wirten, Politikern oder und Journalistenkollegen könnte ihnen gleichgültiger nicht sein.
Nein, zum Naserümpfen besteht bei solchen Positionsbestimmungen kein Anlass. Im Gegenteil: Manchmal könnten sich die Eliten an der unerschrockenen Masse der unpolitischen Kids ein Beispiel nehmen.
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