Wen liebst du? Und wen willst du da heiraten? Lass das lieber!
Der Staat darf sich nicht ins Liebesleben seiner Bürger einmischen. Doch er tut es, ganz massiv sogar – wenn Paare verschiedenen Nationalitäten angehören.
Presse-Kolumne
In der feudalen Gesellschaft hatte die Ehe mit Liebe nicht viel zu tun. Kaum jemand konnte sich seinen Partner, seine Partnerin selbst aussuchen. Die Obrigkeit hatte ein wachsames Auge auf das Liebesleben ihrer Untertanen, manche Verbindungen erlaubte sie, manche wurden explizit gefördert, andere verhindert. Bei leibeigenen Bauern musste der Lehensherr einer Ehe zustimmen. Bei städtischen Handwerkern tat das die Gilde (unter anderem überprüfte sie, ob der Bräutigam mit seiner Arbeit genug verdiente, um eine Familie zu ernähren). In bürgerlichen Kreisen standen beim Heiraten wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, bei Adeligen ging es darum, stategische Allianzen zu schmieden. Und die Liebenden fügten sich.
In der Nazi-Zeit ging es um rassistische Ideologie, ums deutsche Volk und den deutschen Boden. Was zur Folge hatte, dass man sich seine Liebespartner ebenfalls nicht frei aussuchen konnte. Die Nürnberger Rassegesetze von 1935 untersagten Beziehungen und Ehen zwischen Juden und Nichtjuden – eine Vorschrift, die „der Reinheit des deutschen Blutes“ dienen sollte. Juden und Nichtjuden, die bereits miteinander verheiratet waren, legte man die Scheidung nahe und machte ihnen mit vielerlei Schikanen das Leben so schwer wie möglich. Irgendwann sind sie zermürbt, ist ihre Liebe am Ende, und sie geben auf, lautete das Kalkül.
Heute hat die Ehe, heißt es, ausschließlich mit Gefühlen zu tun. Man wählt seinen Partner, seine Partnerin nicht nach ständischen, wirtschaftlichen oder völkischen Kriterien, sondern schaut, wo die Liebe halt hinfällt. Mit wem man zusammensein will – das geht niemanden etwas an, am allerwenigsten den Staat. Der hat ausschließlich die Aufgabe, Familie und Privatsphäre gegen Einmischungen von außen zu schützen. So weit, so selbstverständlich. Und bis dato hielten wir das für einen zivilisatorischen Fortschritt, auf den wir Grund haben, stolz zu sein.
Doch dann läuft, dieser Tage, der neue Film von Anja Salomonowitz in den österreichischen Kinos an, „Die 727 Tage ohne Karamo“. Und da sieht man: Einen Staat, der Liebespaare auseinanderreißt, Ehen zerstört und Väter von ihren Kindern trennt, oft viele Jahre lang. Der Polizisten in Schlafzimmer schickt, um zu überprüfen, wer auf dem Sofa und wer im Ehebett schläft. Der Menschen vorschreibt, wie viel sie verdienen und welche Sprache sie sprechen müssen, um zusammensein zu dürfen. Der Bräute am Standesamt abfängt und sie, noch mit den Hochzeitsblumen im Haar, in Schubhaft nimmt. Einen Staat, der von Eheleuten verlangt, dass sie ihre Liebe, Ausdauer und Leidensfähigkeit beweisen – indem sie immer neue Prüfungen ablegen und immer noch mehr Anträge, Bescheinigungen, Befähigungs-, Unbescholtenheits- und Unbedenklichkeitsnachweise beibringen, allesamt in notariell beglaubigten Abschriften und Übersetzungen, und sie solange von einem Amt aufs andere schickt, bis sie vielleicht einmal zermürbt aufgeben.
Wir sehen da einen Staat, der zu verhindern versucht, dass Paare sich finden, dass sie zusammenbleiben, dass sie sich fortpflanzen. Der alles tut, um Menschen ihre Liebe auszureden. Bloß weil der eine Partner die österreichische, und der andere eine andere Staatsbürgerschaft hat.
Es ist der österreichische Staat. Soll er das dürfen? Und wollen wir das?
Über mich | about me
Tagcloud
alltag arbeit asyl demokratie europa familie feminismus FPÖ frauen geld geschichte gewalt global grüne identität integration irre islam kinder konsum krieg lügen macht medien medizin menschenrechte migration männer nazis ORF pflege reisen revolte schule sex soziales sprache USA verbrechen verkehr wien wirtschaft ÖVP öko österreichBlogroll
Archive
- Oktober 2019
- Juli 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Januar 2019
- Dezember 2018
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- August 2018
- Juli 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2018
- März 2018
- Februar 2018
- Januar 2018
- Dezember 2017
- November 2017
- Oktober 2017
- September 2017
- August 2017
- Juli 2017
- Juni 2017
- Mai 2017
- April 2017
- März 2017
- Februar 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- August 2016
- Juli 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2015
- November 2015
- Oktober 2015
- September 2015
- August 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Oktober 2014
- September 2014
- August 2014
- Juli 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- April 2014
- März 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- Dezember 2013
- November 2013
- Oktober 2013
- September 2013
- August 2013
- Juli 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
- August 2012
- Juli 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012
- Dezember 2011
- November 2011
- Oktober 2011
- September 2011
- August 2011
- Juli 2011
- Juni 2011
- Mai 2011
- April 2011
- März 2011
- Februar 2011
- Januar 2011
- Dezember 2010
- November 2010
- Oktober 2010
- September 2010
- August 2010
- Juli 2010
- Juni 2010
- Mai 2010
- April 2010
- März 2010
- Februar 2010
- Januar 2010
- Dezember 2009
- November 2009
- Oktober 2009
- September 2009
- August 2009
- Juli 2009
- Juni 2009
- Mai 2009
- April 2009
- März 2009
- Februar 2009
- Januar 2009
- Dezember 2008
- November 2008
- Oktober 2008
- September 2008
- August 2008
- Juli 2008
- Juni 2008
- Mai 2008
- April 2008
- März 2008
- Februar 2008
- Januar 2008
- Dezember 2007
- November 2007
- Oktober 2007
- September 2007
- August 2007
- Juli 2007
- Juni 2007
- Mai 2007
- April 2007
- März 2007
- Februar 2007
- Januar 2007
- Dezember 2006
- November 2006
- Oktober 2006
- September 2006
- August 2006
- Juli 2006
- Juni 2006
- Mai 2006
- April 2006
- Dezember 2005
- November 2005
- Juli 2005
- April 2005
- Juli 2004
- November 2003
- Oktober 2001
- Juni 2001
- Mai 2001
- April 2001
- April 2000
- Juli 1999
- Oktober 1998
- Dezember 1997
- Februar 1997
- September 1996
- Juni 1996
- Mai 1996
- April 1996
- November 1995